50 Jahre ist es her und jetzt interessiert sich plotzlich wieder alle Welt für "ihn".
Irgendwo,
jenseits der im unfreiwilligen Zusammenspiel von JFK-Gegnern und JFK-Fans erschaffenen Kunstfigur, versteckt
sich der wahre John F. Kennedy.
John F. ist wie der Mond, den er so gerne erobern
wollte: Er hat eine strahlend schöne, helle und eine dunkle, unbekannte Seite.
Dazwischen liegen die ganzen Mondphasen. Jede steht für einen bestimmten Aspekt
seines Wesens.
Ich möchte mich
an dieser Stelle jenem Flecken Mond widmen, den er mit mir teilt: Der Kunst.
JFK als Politiker
mag man unterschiedlich bewerten. Als Muse ist er unschlagbar! Ich bin nicht
die einzige Künstlerin, die sich seit Jahrzehnten anhaltend von ihm inspiriert
fühlt. Er dürfte der am häufigsten künstlerisch aufgearbeitete US-Präsident der
Geschichte sein.
John F. Kennedy
liebte die Kunst und - vielleicht mehr
noch, er liebte die Künstler. Sein Lieblingskünstler war der Dichter Robert Frost.
ihm vertraute er auch das Schreiben eines Gedichtes anlässlich seiner Vereidigung
an.
Es beginnt mit:
Künstler
einzuladen, auf dass sie teilhaben mögen
an den grossen
Ereignissen des Staates.
Dies ist
etwas, das wir Künstler feiern sollten.
Heute ist für
meine Sache der Tag der Tage.
Und so lobpreise
ich auf altmodische Weise
jenen, der als
erster an so etwas dachte.
(Gemeint ist JFK, der zu seiner Inauguration
insbesondere viele Künstler einlud).
Kennedy war
bekannt dafür, dass er auch und gerne Bücher von noch völlig unbekannten
Autoren las und Gemälde von ebenso unbekannten Malern kaufte. Manchmal
verschenkte er diese auch recht schnell wieder. Es ging es ihm wohl vorranging
darum, dass der Künstler etwas hatte verkaufen können - und zwar an den Präsidenten. Ein Präsident,
der auch mal ein fotokopiertes Fanzine erwarb und stets Interesse für
Experimente und ungewöhnliche Ausdrucksformen zeigte. Das gab es vorher noch
nie. Es machte ihn in der Welt der 60er Jahre Kunstavantgarde zu etwas ganz Besonderem.
JFK liess sich gerne malen und zeichnen. Und
so kam bald sehr viel "JFK-Art" in den Umlauf. Manchmal sehr
gelungene Werke und manchmal auch etwas weniger gelungene - stets aber
lebendige, inspirierte Kunst. Er war
eine begeisterte Muse, willig posierend für jeden, der sich mit ihm wie auch
immer auseinandersetzen wollte.
Als kurz nach Amtsantritt
die ersten Karikaturen von ihm in der Zeitung erschienen, bestellte er die Karikaturisten
zu sich ins Weisse Haus. Er baute sich vor den staunenden Zeichnern auf und
sagte: "Schaut! SO sehe ich aus! Etwas schlanker als ihr mich gezeichnet
habt und das Haar etwas weniger struppig".
Nein, es war
ihm nicht einerlei wie er dargestellt wurde. Eine verspielte Eitelkeit
bewog ihn immer wieder, die Nähe malender Hände zu suchen. Es verursachte
bei ihm zuweilen heftige Gefühle der Kränkung, wenn eine Darstellung aus seiner
Sicht zu spöttisch, würdelos oder einfach nur dümmlich und lieblos war. Er gab
dann offenherzig zu verstehen, dass ihn das verletzte.
Aber nie rief
er nach Zensur oder versuchte er, Kraft seiner Macht eine Darstellung zu
verhindern. Sein Motto war stets: "Du hast das Recht mich zu kritisieren,
aber ich habe auch das Recht zu sagen, was mir nicht gefällt."
Und das tat er
auch. Ausgiebig, kreativ und mit unverhohlener Lust. Mit seinem beissendem
Humor, dem typischen "Kennedy-Stil" war er selber so etwas wie ein
Künstler. "Es ist doch gar nicht wahr, dass ich anlässlich des
Staatsbesuches bei Premier Diefenbaker (Kanada) heimlich "Arschloch"
auf ein Papier gekritzelt habe. Erstens bin ich nicht so blöd und zweitens
kannte ich ihn damals ja noch gar nicht so gut."
Dass er dann
mal "Alle Geschäftsleute sind Arschlöcher" gesagt hatte, dazu stand
er indes. Die so Gescholtenen reagierten ihrerseits teilweise mit Humor, in dem
sie bei Wirtschaftskongressen einen
Button mit der Aufschrift "Mitglied im Arschloch-Club" trugen.
Einmal hielt
er eine Rede vor führenden Wirtschaftskapitänen. Er sagte "Sie haben mich
eingeladen, weil Sie mich fälschlicherweise für den Sohn meines Vaters halten.
Nun, ich werde die halbe Stunde, für die Sie mich bezahlt haben, eben
durchhalten, dann gehe ich."
Man stelle
sich eine dermassen schnoddrige Rede heutiger Staatsmänner- und Frauen vor!
JFK war stolz
darauf, keinerlei Lobby zu dienen - mit einer Ausnahme, wie er selber sagte:
Die der Milchtrinker. Leidenschaftlich missionierte er für den Konsum von
Frischmilch und trank oft demonstrativ auf Pressekonferenzen ein grosses Glas
davon.
Manchmal wurde
der Hofstaat im Weissen Haus von seinen Schreien am frühen Morgen geweckt, die
er gepeinigt von heftigen Schmerzen und Durchfall ausstiess. Es stellt sich aus
heutiger Sicht die traurige Frage, ob nicht seine geliebte Milch daran schuld
war.
Er selbst suchte
vermutlich gar nicht mehr nach den Ursachen seiner zahllosen Krankheiten, es
waren derer einfach zu viele. Schon in den dreißiger Jahren hatten ihm Ärzte
prophezeit, wegen des Morbus Adddison nur noch ein Jahr zu leben zu haben. Dass
es dann doch mehr wurden, verdankte er der Erfindung des Kortisons. Trotzdem
lebte JFK sein Leben auf Abruf, war ein "Toter mit Bewährung".
Dieses stete
Wandeln zwischen dem Dies- und dem Jenseits trug ebenfalls zu seiner ganz
speziellen Aura des "Über-dem-Tod" Stehens bei. Er dachte in Dimensionen
weit über sein irdisches Dasein hinaus und empfand die Zeit als einen Zustand
reiner Wandlung. "Die Gegenwart existiert nicht. Da ist nur Vergangenheit,
die zur Zukunft wird."
Seine
Entrücktheit, die Todessehnsucht und die Hingabe an die eigene Endlichkeit verleihen
ihm auch aus künstlerischer Sicht einen besonderen Reiz. Er ist ein Wanderer zwischen den Welten, der so
gut wie jede Rolle annehmen kann und überall zu Hause ist.
John F. Kennedys Rede,
die er anlässlich des Todes von Robert Frost am Amherst College, am 26. Oktober, 1963 hielt - also knapp einen
Monat vor seinem eigenen Tod - gehört zu
dem wunderbarsten, was je über Kunst und Künstler gesagt wurde. Nie fühlte ich
mich tiefer verstanden als durch diesen Text. Manchmal, wenn der Schmerz der
inneren Einsamkeit mich zu erdrücken droht, lese ich die Schlüsselsätze durch:
"The artist, however
faithful to his personal vision of reality, becomes the last champion of the
individual mind and sensibility against an intrusive society and an officious
state. The
great artist is thus a solitary figure. "
Dieser Satz allein fasst zusammen, was mein Leben ausmacht.
Und:
"I see little of more
importance to the future of our country and our civilization than full recognition
of the place of the artist. If art is to nourish the roots of our culture,
society must set the artist free to follow his vision wherever it takes
him."
Dass
einmal ein US- Präsident gesagt hat, dass ich meinen Visionen folgen soll und
dass es für ihn kaum etwas Wichtigeres gibt , als die Anerkennung des
Künstlers, ist Halt und Trost von
unermesslicher Kraft. JFK ist somit
nicht nur Muse, er ist auch Verbündeter des Künstlers in dessen Einsamkeit.
Diese Rolle - wenngleich nur eine von vielen,
die er inne hat - ist für mich persönlich seine vornehmste und schönste.
Robert Frost hat
am Vereidigungstag sein Gedicht nicht vorlesen können. So sehr blendete die
gleißende Sonne im frischen Schnee jenes 21. Januar 1961, dass der Dichter die
getippten Worte auf dem Papier nicht erkennen konnte. Er trug daher ein älteres
Gedicht vor, eines das er auswendig wusste. Die Zeit war noch nicht reif für
diese Gedankenwelt.
Die Rede ist hier nachzulesen: http://arts.gov/about